Einfache Sachen können kompliziert zu handhaben sein, und umgekehrt können komplizierte sogar komplexe Sachverhalte einfach dargestellt werden. Überlegung zum Thema „simplicity“.
Have a cup of tea
Eines Tages empfing der japanische Zen-Meister Nan-in einen Professor, der etwas über Zen erfahren wollte. Nan-in servierte Tee. Er goss die Tasse seines Besuchers voll und hörte nicht auf, weiterzugiessen. Der Professor beobachtete das Überlaufen, bis er sich nicht mehr beherrschen konnte. „Es ist übervoll, mehr geht nicht hinein,“ rief er.
„So wie diese Tasse,“ sagte Nan-in, „sind auch Sie voll mit ihren eigenen Meinungen und Spekulationen. Wie kann ich Ihnen etwas über Zen beibringen, bevor Sie Ihre Tasse geleert haben?“
Diese schöne Geschichte wird regelmässig von modernen Meister aktualisiert: ein wichtiger Bestandteil der spirituellen Lehre vom koreanischen Zen Meister Seung Sahn, ist der „Nur Weiss-nicht" Geist. Soll Nichtwissen nur in den spirituellen Kreisen eine bewusste und entwickelte Eigenschaft sein oder hat es auch etwas mit Management zu tun?
Komplexe Systeme und „fehlendes Wissen“
Komplizierte Systeme können mit dem entsprechenden Aufwand ultimativ analysiert und verstanden werden: ein Space Shuttle ist hoch kompliziert, allerdings ist es, mit genügend Ressourcen, möglich das gesamte System zu durchschauen und zu verstehen, und somit wird sein Funktionieren hoch voraussehbar.
Komplexe Systeme hingegen können, auch mit unendlichem Aufwand, nie abschliessend analysiert und verstanden werden: das Nichtwissen wird - durch die Anzahl der Bestandteile, die Anzahl und Dynamik der Wechselwirkungen, die damit verbundenen Unsicherheiten und Widersprüche - ein wesentlicher Bestandteil eines solchen Systems. Weshalb versuchen wir trotzdem, bis zu Kontrollsucht, krampfhaft laufend mehr Informationen und Daten über das System zu generieren, damit wir doch-endlich-eine-gute-Entscheidung-treffen-können? Weil wir drill-mässig gelernt haben, komplizierte Probleme zu lösen, und auf gestellte Fragen erwartete Antworten zu geben. In unserer Wissensgesellschaft fällt es uns schwer "ich weiss es nicht" zu sagen. Der Systemiker Fritz Simon zum Thema "Heldenmythos Wissen".
Übrigens, Nichtwissen ist nicht nur unangenehm: wir wissen wenig über uns selbst ("how to live with an unknowable mind"), und wollen auch wenig darüber wissen ("Why people avoid the truth about themselves")...
Welche Ansätze gibt es, um mit Komplexität "einfach" zu umgehen?
In einem kurzen TED-Talk erklärt Eric Berlow "How complexity leads to simplicity". Er gibt grundsätzlich zwei Tipps:
System mit Abstand betrachten ("zoom out")
und System visualisieren.
Eine interessante Art, Komplexität „einfach“ zu visualisieren habe ich bei Idiagram (The Art of complex problem solving) gefunden.
Wissen ist ein Gefühl...
"I know with certainty that I'm dead, but I still have a pulse"
Anhand dieser Geschichte einer Patientin erklärt der Neurowissenschaftler und Schriftsteller Robert Burton, in einem Interview im Magazin of the Rotman School of Management (Winter 2010), dass Gewissheit als wahr erscheint, aber eigentlich nur ein ungewolltes Gefühl ist. Er fügt hinzu:
"Some self-questioning is always beneficial, regardless of the field of study. The reverse of this - the idea that you start with a certainty and then go out and try to prove it - is the basis of many fundamentalist religions, and the cause of many of the world's conflicts."
... an dem man arbeiten kann
Wenn Wissen ein Gefühl ist, dann kann ich, wie auch bei anderen Gefühlen wie Schmerz oder Angst, daran arbeiten. An Gefühlen zu arbeiten hat etwas mit mentalen Einstellungen zu tun. Laut Doug Decarlo hilft die folgende Haltung, die er "Quantum Mind-Set" nennt.
Wir wissen nicht alles
Wir wissen nicht, was wir nicht wissen
Veränderung ist die Regel, nicht die Ausnahme
Murphy ist ständiges Mitglied des Projektsystems
Bis zum Schluss ist nichts definitiv, alles kann jederzeit hinterfragt werden
Ständige Unsicherheit ist die einzige Sicherheit
Stabilität ist eine Aberration.
Simplicity in der Praxis
Als zusammenfassende Handlungsanweisung übernehme ich das Schlusswort von Greg Satell:
"The best that we can do is:
keep entities simple (i.e. Situationen ja nicht „verschlimmbessern“)
accept that systems become complex (denn dagegen gibt es kaum etwas zu tun)
and seek to manage that complexity (Einfluss nehmen, prägen, mitgestalten)
while understanding that it can not be controlled" (Bescheidenheit).
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